Heute geht es mir nicht gut. Ich habe schlecht geschlafen, hatte heute morgen Kopfweh. Inzwischen habe ich mich zwar ausgeruht, bin aber, vielleicht deswegen, komplett schlapp und phlegmatisch. Ich habe mich aber auch viel zu wenig bewegt, wegen meiner Schlappheit, was die Schlappheit noch schlimmer macht usw. Besonders produktiv war dieser Tag also nicht.
Ich war auch wieder zu viel auf Social Media unterwegs. Zu dieser Art Medien habe ich inzwischen ja eine Hassliebe. Da sind so viele tolle Menschen, von denen ich so viel gelernt habe über die inzwischen vielen Jahre, die ich da so im Internet rumhänge. Meine ganze feministische Bildung hat ihren Ursprung von Twitter – lange vor Musk. Inzwischen bin ich auf Bluesky, was mich noch am ehesten an Twitter in seinen guten Zeiten erinnert.
Aber um sich besser zu fühlen, ist auch Bluesky nur eingeschränkt geeignet. Da sind die Einsamen, Depressiven, Kranken, die oft keinen anderen Kanal haben. Dann die Analytiker, die – durchaus mit guten Absichten – die Welt aus ihrer Sicht erklären, aber leider oft aus derselben Haltung heraus, die mich in der Politik schon immer gestört hat: Sie erklären anderen, was sie falsch machen. Dann wie überall die Trolle und Hassposter. Und der Rest, zu dem ich mich rechnen würde, ist irgendwo dazwischen.
Was mir fehlt sind Lösungen und Hoffnung statt Problemanalysen und „Wir sind im Arsch“-Posts. Zu oft wird „Bescheid wissen“ mit zernörgeln verwechselt, das eigene negative Weltbild mit kritischer Aufgeklärtheit. Es bleibt bei Anklagen, aber wo sind die Lösungen? Der Teil fehlt mir auf Bluesky.
Ich las einmal ein Buch zum Thema Klimawandel, es war voller kluger und richtiger Analysen aber es kam nichts, wirklich nichts zu Lösungen und Strategien. Ich war regelrecht deprimiert, als ich das Buch durch hatte. So darf es nicht sein, finde ich. Ich akzeptiere nicht, dass es keine Hoffnung geben soll, das es keine Lösungen gibt und wenn es bei so vielen Themen momentan wirklich düster aussieht.
Ich überlege, wo mein Handlungsspielraum für Lösungen, Verbesserungen ist. Ich unterstütze politische Organisationen, – wenn auch bisher nur mit Geld – ich habe kein Auto, fliege nicht in Urlaub, esse fast kein Fleisch. Das ist nicht viel, aber immerhin. Ich arbeite mit Frauen aus aller Welt und unterstütze sie dabei, Arbeit zu finden. Damit tue ich das, was der AfD nicht gefälllt und das gefällt mir.
Im Bereich der Politik finde ich es schon schwerer. Momentan fehlt mir die Zeit, mich aktiv zu engagieren. Das wird sich zum Sommer hin wieder ändern, dann werde ich sehen, wo ich gerade gebraucht werde. Auf die große Politik habe ich allenfalls einen marginalen Einfluss – und leider geht es viel zu vielen dort nur um die Macht, nicht um Inhalte und schon gar nicht um die Menschen, für die sie Politik machen sollten.
Aber ich weigere mich zu resignieren. Es geht auch um mich, ich bin auch noch da. Deswegen war ich auch auf den Demos, nicht, weil ich der Illusion erliege, auch nur einen AFD-Wähler umzustimmen. Sondern um daran zu erinnern, dass ich auch noch da bin – und Millionen andere, die nicht einverstanden sind mit Ausgrenzung und Hass.
Im Grunde ist meine, weiter das Leben zu führen, das ich gut und richtig finde. Ich glaube an Gleichwertigkeit aller Menschen, Lebensentwürfe und Orientierungen, solange diese nicht die Gleichwertigkeit anderer Menschen, Lebensentwürfe und Orientierungen abwerten. Ich glaube daran, dass jeder Mensch gut sein kann, in dem Sinne, dass er einen wohlwollenden Blick auf andere hat, sich für die Gemeinschaft einsetzt und dafür, dass seine Nächsten glücklich sind. Dass er eine Arbeit hat, die ihn und seinen nächsten ernährt. Dass er sich als selbstwirksam erlebt, dass seine Handlungen etwas bewirken.
Und: das ganze darf nicht innerhalb einer abgeschlossenen Gemeinschaft geschehen, die sich durch die Ausgrenzung anderer definiert. Letztlich ist mit Gemeinschaft die Gemeinschaft aller Menschen auf der Welt gemeint. Anders kann es nicht gehen.
Das mag naiv klingen, utopisch, aber daran glaube ich. Wir können gut sein. Das aktuelle Personal in Politik und Wirtschaft ist dabei leider nicht hilfreich. In den Schulen geht es immer noch viel zu sehr um Wissensvermittlung anstatt um Menschen-Bildung. Und wir lassen immer noch viel zu viele Menschen im Stich, geben ihnen nicht die Hilfe, die sie brauchen, sondern diffamieren sie oft genug noch als faul und selbst schuld an ihrer Lebenssituation.
Das Glück oder auch nur das Wohlbefinden der Menschen ist keine Messgröße, stattdessen zählt „Leistung“ und „Erfolg“ – mit Messkriterien wie Wochenarbeitsstunden und Einkommen. Da können viele nicht mithalten – und dann verstehe ich jede Person, die frustriert und verbittert ist.
Aber dabei darf es nicht bleiben, wir dürfen es nicht hinnehmen, wenn Menschen resignieren oder sich radikalisieren. Der einzelne Mensch muss im Blick bleiben. Wir dürfen uns nicht aufgeben. Wir dürfen uns nicht spalten lassen. Verbindungen suchen statt Unterschiede, im im Gespräch bleiben, irgendwie, zuhören, aufklären, nicht verurteilen, zumindest solange noch irgendeine Gemeinsamkeit da ist – das ist, was zu tun ist. Dabei brauchen wir einen langen Atem. Dann kann es wieder gut werden.