Frau Geisler

Wie geht das mit dem Gut sein?

Autor: fraugeisler

  • Kein Tanz in den Mai

    Vor dem Feiertag. Morgen kann ich wieder ausschlafen, juhuu! Das Thema Schlaf wird auf eine andere Art wichtig, wenn man die 50 hinter sich gelassen hat. Durchgeschlafen! Großartig! Dabei habe ich schon lange keine kleinen Kinder mehr, die mich um den Schlaf bringen. Das schaffen jetzt die Hormone, die kleinen Biester.

    „Schön, dass wieder Wochenende ist, da kann ich endlich wieder schlafen“, sagte ich vor einigen Wochen und kam mir da gleich so alt vor. Früher (TM) hätte ich noch gesagt: „Wochenende? Super, lass uns tanzen gehen!“

    Also werde ich auch heute nicht in den Mai tanzen. Vielleicht schaffe ich es heute mal, mehr als drei Seiten zu lesen, bevor ich einschlafe.

  • Sonntag

    Unser neues Sofa ist da. Die Fahrer waren etwas chaotisch, verfuhren sich in eine Nebenstraße, aus der sie dann nicht mehr rausfanden. Aber es hat alles geklappt, das Sofa steht und ist gemütlich, was will man mehr. Ich bin wirklich sehr dankbar dafür, dass wir uns das leisten können, ein neues Sofa. Dass uns so eine Anschaffung nicht weh tut. Dass wir die freie Wahl haben. Dass wir nicht in ein Sozialkaufhaus gehen müssen.

    Gerade sitze ich mit einem Kaffee auf der Terrasse. Es ist schön, barfuß sein zu können und dass ein T-Shirt reicht, aber es ist zu früh für so sommerliche Temperaturen. Definitiv. Es ist aber für mich auch nicht die Alternative, mich nach drinnen zu verkriechen. Ich freue mich über unsere Blumen im Garten und die Bienen, viele sind es nicht, aber immerhin.

    Meinen Krähen-Anfreunde-Versuch muss ich übrigens wohl anders gestalten. Nachdem die erste Erdnuss verschwunden ist, wurde die nächste verschmäht. Ich mache nochmal einen Versuch auf dem Weg zur Arbeit, da komme ich an mehreren Nistbäumen vorbei.

    Es ist übrigens immer noch das Wetter, wo man von T-Shirt und kurzer Hose bis Mantel und Hut alles sieht. Die nächste Woche ist dann aber wohl wirklich T-Shirt-Wetter.

    Und die Johannisbeer-Ernte wird wohl gut dieses Jahr:

  • Guten Morgen!

    Noch sitze ich auf dem Sofa, habe gerade meinen Kaffee getrunken und schaue Morgenmagazin.

    Es kommt ein Bericht über deutsche Autobauer in China. Die vorgestellten Innovationen sind der Verzicht auf das traditionelle Audi-Logo und noch mehr Möglichkeiten, im Auto Videos zu schauen. Naja, aber das chinesische Publikum äußert sich positiv dazu. Was Batterien für E-Autos angeht, sind die chinesischen Firmen aber immer noch besser.

    Ein paar Sender weiter wird eine sehr seltsame Aussage von Barbara Schöneberger zitiert, die ich jetzt nicht wiederholen möchte. Interessant aber, was sie selbst als von sich erzählenswert betrachtet – und dass das ein Sender auch noch übernimmt. Hauptsache irgendwie skurril.

    Gleich muss ich mich fertig machen, vielleicht fahre ich trotz des Regens Fahrrad.

    Gestern kam übrigens eine Krähe zu uns in den Garten. Ich habe schon von mehreren Leuten gehört, die sich mit Krähen angefreundet habe, also habe ich mal eine Erdnuss aufs Schuppendach gelegt. Nachher lege ich wieder eine hin.

    Das heutige Suchtlied ist das folgende:

    Ya Rayah vom algerischen Sänger Rachid Taha, der leider schon 2018 gestorben ist, hier in einer Live-Version gemeinsam mit Khaled und Faudel:

    Im Original ist das Lied vom algerischen Sänger Dahmane el-Harrachi. Der Text handelt von Schwierigkeiten und Sorgen von Menschen, die ihr Land verlassen. In den Übersetzungen bleibt es etwas unklar, ob von Reisenden oder Emigranten die Rede ist. Hier ist eine Seite mit gleich mehreren Übertragungen ins Englische: https://lyricstranslate.com/de/ya-rayah-oh-traveler.html

  • Es regnet

    Das ist subjektiv schlecht, denn ich wollte heute nach der Arbeit einen Spaziergang nach Hause machen. Objektiv ist das gut, denn die Natur braucht Regen. Es war subjektiv schön letzte Woche in Hamburg, dass wir drei Tage Sonnenschein hatten, aber selbst der Mann im Hotel sagte, dass das absolut untypisch sei.

    Wir konnten zu Fuß unterwegs sein an diesen drei Tagen, insgesamt waren es ca. 40 Kilometer, dazu U-Bahn-Fahrten und eine Fahrt mit dem Linienboot. Am ersten Tag zu Hause war ich schon ziemlich müde und ich hatte dann auch drei Tage mehr Hunger als sonst. Aber es hat mir so gut getan, so viel zu gehen, draußen zu sein, unterwegs. Natürlich geht das in einer anderen Stadt als der eigenen besser, da ist man nicht schon x-mal an denselben Orten vorbei gekommen.

    Gleichzeitig gibt es hier zu Hause Runden, die kann ich immer wieder gehen, die werden mir nicht langweilig. Da geht es ums Gehen und Denken und zur Ruhe kommen – und dann sind da zwischendrin die wunderbaren weiten Blicke in den Taunus und die Wetterau oder nur nach Bad Vilbel.

    Manchmal sollte man meinen, den Taunus gibt es nicht, wenn er im Nebel oder hinter tiefen Wolken verschwindet. Und manchmal leuchten die Berghänge im Sonnenlicht, die verschiedenen Grüntöne werden sichtbar. In meinem früheren Wohnviertel wusste ich noch nichtmal, dass es diese Blicke überhaupt gibt.

    Jetzt liebe ich es, einfach da zu stehen, den Blick zu genießen. Da gibt es nichts anderes zu tun.

    Dann gehe ich weiter, bis ich keine Lust mehr habe.

    Gestern war dann mit einem Mal alles leicht in mir, der innere Ballast war weg. Hat es sich so angefühlt, Kind zu sein? Ich wünsche es mir selbst, dass es so war, zumindest auch so. Unbeschwert.

  • Gut

    Heute geht es mir nicht gut. Ich habe schlecht geschlafen, hatte heute morgen Kopfweh. Inzwischen habe ich mich zwar ausgeruht, bin aber, vielleicht deswegen, komplett schlapp und phlegmatisch. Ich habe mich aber auch viel zu wenig bewegt, wegen meiner Schlappheit, was die Schlappheit noch schlimmer macht usw. Besonders produktiv war dieser Tag also nicht.

    Ich war auch wieder zu viel auf Social Media unterwegs. Zu dieser Art Medien habe ich inzwischen ja eine Hassliebe. Da sind so viele tolle Menschen, von denen ich so viel gelernt habe über die inzwischen vielen Jahre, die ich da so im Internet rumhänge. Meine ganze feministische Bildung hat ihren Ursprung von Twitter – lange vor Musk. Inzwischen bin ich auf Bluesky, was mich noch am ehesten an Twitter in seinen guten Zeiten erinnert.

    Aber um sich besser zu fühlen, ist auch Bluesky nur eingeschränkt geeignet. Da sind die Einsamen, Depressiven, Kranken, die oft keinen anderen Kanal haben. Dann die Analytiker, die – durchaus mit guten Absichten – die Welt aus ihrer Sicht erklären, aber leider oft aus derselben Haltung heraus, die mich in der Politik schon immer gestört hat: Sie erklären anderen, was sie falsch machen. Dann wie überall die Trolle und Hassposter. Und der Rest, zu dem ich mich rechnen würde, ist irgendwo dazwischen.

    Was mir fehlt sind Lösungen und Hoffnung statt Problemanalysen und „Wir sind im Arsch“-Posts. Zu oft wird „Bescheid wissen“ mit zernörgeln verwechselt, das eigene negative Weltbild mit kritischer Aufgeklärtheit. Es bleibt bei Anklagen, aber wo sind die Lösungen? Der Teil fehlt mir auf Bluesky.

    Ich las einmal ein Buch zum Thema Klimawandel, es war voller kluger und richtiger Analysen aber es kam nichts, wirklich nichts zu Lösungen und Strategien. Ich war regelrecht deprimiert, als ich das Buch durch hatte. So darf es nicht sein, finde ich. Ich akzeptiere nicht, dass es keine Hoffnung geben soll, das es keine Lösungen gibt und wenn es bei so vielen Themen momentan wirklich düster aussieht.

    Ich überlege, wo mein Handlungsspielraum für Lösungen, Verbesserungen ist. Ich unterstütze politische Organisationen, – wenn auch bisher nur mit Geld – ich habe kein Auto, fliege nicht in Urlaub, esse fast kein Fleisch. Das ist nicht viel, aber immerhin. Ich arbeite mit Frauen aus aller Welt und unterstütze sie dabei, Arbeit zu finden. Damit tue ich das, was der AfD nicht gefälllt und das gefällt mir.

    Im Bereich der Politik finde ich es schon schwerer. Momentan fehlt mir die Zeit, mich aktiv zu engagieren. Das wird sich zum Sommer hin wieder ändern, dann werde ich sehen, wo ich gerade gebraucht werde. Auf die große Politik habe ich allenfalls einen marginalen Einfluss – und leider geht es viel zu vielen dort nur um die Macht, nicht um Inhalte und schon gar nicht um die Menschen, für die sie Politik machen sollten.

    Aber ich weigere mich zu resignieren. Es geht auch um mich, ich bin auch noch da. Deswegen war ich auch auf den Demos, nicht, weil ich der Illusion erliege, auch nur einen AFD-Wähler umzustimmen. Sondern um daran zu erinnern, dass ich auch noch da bin – und Millionen andere, die nicht einverstanden sind mit Ausgrenzung und Hass.

    Im Grunde ist meine, weiter das Leben zu führen, das ich gut und richtig finde. Ich glaube an Gleichwertigkeit aller Menschen, Lebensentwürfe und Orientierungen, solange diese nicht die Gleichwertigkeit anderer Menschen, Lebensentwürfe und Orientierungen abwerten. Ich glaube daran, dass jeder Mensch gut sein kann, in dem Sinne, dass er einen wohlwollenden Blick auf andere hat, sich für die Gemeinschaft einsetzt und dafür, dass seine Nächsten glücklich sind. Dass er eine Arbeit hat, die ihn und seinen nächsten ernährt. Dass er sich als selbstwirksam erlebt, dass seine Handlungen etwas bewirken.

    Und: das ganze darf nicht innerhalb einer abgeschlossenen Gemeinschaft geschehen, die sich durch die Ausgrenzung anderer definiert. Letztlich ist mit Gemeinschaft die Gemeinschaft aller Menschen auf der Welt gemeint. Anders kann es nicht gehen.

    Das mag naiv klingen, utopisch, aber daran glaube ich. Wir können gut sein. Das aktuelle Personal in Politik und Wirtschaft ist dabei leider nicht hilfreich. In den Schulen geht es immer noch viel zu sehr um Wissensvermittlung anstatt um Menschen-Bildung. Und wir lassen immer noch viel zu viele Menschen im Stich, geben ihnen nicht die Hilfe, die sie brauchen, sondern diffamieren sie oft genug noch als faul und selbst schuld an ihrer Lebenssituation.

    Das Glück oder auch nur das Wohlbefinden der Menschen ist keine Messgröße, stattdessen zählt „Leistung“ und „Erfolg“ – mit Messkriterien wie Wochenarbeitsstunden und Einkommen. Da können viele nicht mithalten – und dann verstehe ich jede Person, die frustriert und verbittert ist.

    Aber dabei darf es nicht bleiben, wir dürfen es nicht hinnehmen, wenn Menschen resignieren oder sich radikalisieren. Der einzelne Mensch muss im Blick bleiben. Wir dürfen uns nicht aufgeben. Wir dürfen uns nicht spalten lassen. Verbindungen suchen statt Unterschiede, im im Gespräch bleiben, irgendwie, zuhören, aufklären, nicht verurteilen, zumindest solange noch irgendeine Gemeinsamkeit da ist – das ist, was zu tun ist. Dabei brauchen wir einen langen Atem. Dann kann es wieder gut werden.